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AutorenbildH. Beierstettel

Historische Grenzsteine - wenig beachtete Kleindenkmale

Aktualisiert: 22. Sept.

Dieser Blogbeitrag ist der erste Teil einer Artikelserie für die nordbadische Tageszeitung "Fränkische Nachrichten" und befasst sich daher grundlegend mit dem Thema "Grenze". Er erschien am 27.8.2024. Die weiteren Artikel, die dann spezielle Grenzsteine aus der Umgebung Tauberbischofsheims (Main-Tauber-Kreis) thematisieren, werden hier in loser Folge in den nächsten Wochen erscheinen.


Schon seit mehr als 3000 Jahren beschäftigen sich die Menschen mit Grenzen, deren Beschreibung und Kennzeichnung. Älteste Grenzverläufe orientierten sich oft an natürlichen Grenzen wie Flussläufen, Gräben oder Höhenzügen. Ergänzt wurden diese bald durch von Menschenhand geschaffene Linien wie Dämme, Hecken, Wege oder Pflugfurchen. Als gut erkennbare, auffallende Grenzmale wurden auch seit jeher große Findlinge, also Felsen oder Steinblöcke (Lagersteine) genutzt. Spätestens im Frühmittelalter begann man auch in Mitteleuropa schließlich mit einer systematischeren Markierung der Grenzen: In herausragende oder alleinstehende Bäume auf der Grenzlinie wurden Zeichen eingekerbt. Solche Bäume nannte man Malbäume oder Lach-/Lochbäume.

Ungefähr ab dem 13. Jhd. fing man dann an, nicht nur vor Ort vorhandene Marken zu nutzen, sondern diese durch das Setzen von Pfählen oder Steinen zu ergänzen. Diese ersten  gesetzten Grenzsteine waren noch unbearbeitet; man nutzte in der näheren Umgebung gefundener Steine mit besonderer, länglicher Form. Ein solcher alter Grenzstein steht heute noch auf dem Bettingberg zwischen Trennfeld und Kreuzwertheim. Dieser Stein wird in einer Markungsbeschreibung aus dem Jahre 1696 „Judenstein“ genannt (StA Wt. F-Rep.32 Nr. 58). Er steht in der Nähe eines alten Fernwegs, der bei Urphar durch eine Furt den Main querte. Die Gemarkungsgrenze war hier auch eine Zollgrenze. Juden mussten damals einen Leibzoll (Judenzoll) zahlen. Womöglich gab es hier einen unbewachten Übergang, wo dieser Zoll umgangen werden konnte. Eventuell war es aber auch genau umgekehrt und die jüdischen Reisenden wurden hier zur Kasse gebeten.


Der „Judenstein“ auf dem Bettingberg.  Die eingehauene Grenzstein-Nr. 89 stammt aus jüngerer Zeit


Im Laufe des 14. und 15. Jhd. setzte vornehmlich an Hoheits- und Rechtsgrenzen die Vermarkung mit bearbeiteten Grenzsteinen ein. Sie wurden noch spärlich und in relativ großen Abständen zueinander gesetzt, und zwar besonders als Ecksteine, also dort, wo die Grenze einen größeren Richtungswechsel vornahm. Die ältesten behauenen Grenzsteine in unserer Gegend sind aus Buntsandstein, da sich dieser gut bearbeiten lässt. Auf dem Kopf des Steins wurde ein Kreuz, später dann die Laufrichtung der Grenze eingekerbt. Auf den beiden breiten Seitenflächen brachte man die oft sehr aufwändig gestalteten Kennzeichen für den jeweiligen Herrschafts- bzw. Gemarkungsbereich an. Manche alten Steine tragen auch nur auf einer Seite eine solche Kennung, wohl von der Gemeinde oder Herrschaft, die den Stein finanziert und errichtet hatte. Die (Tauber-)Bischofsheimer Gemarkungsgrenzsteine aus dem 15. und 16. Jhd. zeigten auf der der Bischofsheimer Gemarkung zugewandten Seite drei B, die in einem Wappenschild um ein Mainzer Rad angeordnet waren. Häufig wurde auch noch die Jahreszahl der Errichtung eingehauen. Einer der ältesten datierten und noch erhaltenen Bischofsheimer Gemarkungsgrenzsteine steht heute in Tauberbischofsheim im Tauberfränkischen Landschaftsmuseum. Er trägt die Jahreszahl 1493. Die 4 ist dabei noch in der damals üblichen Schreibweise einer „nach unten offenen 8“ geschrieben.


Bischofsheimer Gemarkungsgrenzstein aus dem Jahr 1493 im Tauberfränkischen Landschaftsmuseum


Warum das Bischofsheimer B dreimal eingehauen wurde, ist nicht ganz klar. Wahrscheinlich hatte es einfach einen praktischen Grund: Wenn ein B beschädigt wurde, blieben immer noch zwei weitere übrig. Der Tauberbischofsheimer Ehrenbürger Hugo Pahl interpretierte die drei B derweil schelmenhaft als Bischemer Bösi Buwe. Im in der Erde befindlichen Teil des Steins wurden die oberirdischen Zeichen -in einfacherer Ausführung- oft nochmals wiederholt. Auch dies war wieder eine Absicherung, falls der obere Teil des Steins beschädigt oder gar abgebrochen sein sollte, die deutlich macht, für wie wichtig die Markierung der Grenze erachtet wurde.

Das Entfernen oder Versetzen von Grenzsteinen wurde hart bestraft. Grenzsteine durften nur von den sogenannten Feld- oder Landschiedern, die auch Siebener genannt werden, beider beteiligten Parteien gemeinsam gesetzt werden. Um ein heimliches Versetzen zu enttarnen, versteckten die Landschieder unter oder neben dem Stein in der Erde kleine Tonscherben mit eingekerbten Zeichen, die Grenzstein-Zeugen genannt werden. Wie die Zeugen genau aussahen, war das Geheimnis der Siebener.

Die Gemarkungsgrenzen wurden von den Landschiedern der jeweils angrenzenden Ortschaften in regelmäßigen Abständen gemeinsam abgelaufen und kontrolliert. Vielerorts fand eine solche Gemarkungsumgehung jährlich, wegen der spärlicheren Vegetation meist im Spätherbst, statt und war ein großes Ereignis: Neben vielen Amtsträgern der Gemeinden sollten auch noch möglichst viele Einwohner mitlaufen, damit sie ihre Grenze kennen. Um sich den Verlauf der Grenze dauerhaft einzuprägen, wurden die mitlaufenden Buben mancherorts energisch auf jeden Grenzstein gesetzt (gestaucht). In größeren Abständen wurden die Gemarkungsumgehungen auch protokolliert. Alle beteiligten Gemeinden erhielten eine Abschrift. Im Tauberbischofsheimer Stadtarchiv finden sich solche Bischofsheimer Grenzgang-Protokolle aus den Jahren 1569, 1580, 1608, 1683, 1700, 1749 und 1872 (Stadtarchiv B3-B8a). Ein weiteres Bischofsheimer Protokoll aus dem Jahr 1724 liegt wegen einer damaligen Grenzstreitigkeit mit dem seinerzeit zu Würzburg gehörenden Impfingen im Staatsarchiv Würzburg (StA Wü Gebr. A Wü IV G 196 III).

Im Anschluss an Grenzbegehungen wurden verschwundene Steine ersetzt und zunehmend auch zusätzliche aufgestellt, jedoch blieben die Abstände zwischen zwei Steinen teilweise immer noch beträchtlich groß. Auf der Tauberbischofsheimer Gemarkungsgrenze mit Großrinderfeld gibt es am Forst einen Abschnitt von fast 1km Länge, auf dem bis Mitte des 19. Jhd. kein einziger Grenzstein zu finden war. Hier zeigte der Waldrand die Grenze an. Ab dem 18. Jhd. wurde die Versteinung der Grenzen systematisiert, die Abstände zwischen zwei Steinen wurden kleiner. Nun wurden auch auf geraden Grenzverläufen in regelmäßigen Abständen Steine, die sogenannten Läufersteine, gesetzt. Der Umfang der Tauberbischofsheimer Gemarkung beträgt ca. 32km, auf denen heute noch ca. 250 historische Grenzsteine zu finden sind.



Grenzsteine der Tauberbischofsheimer Gemarkungsgrenze (Karte: openstreetmap.org)


Mit diesem Artikel startet eine Serie, in der besondere Grenzsteine der Tauberbischofsheimer Gemarkung und Umgebung vorgestellt werden. Der Autor steht als ehrenamtlicher Grenzsteinbeauftragter der Gemeinde Tauberbischofsheim in der Nachfolge der in Baden-Württemberg nicht mehr existierenden Landschieder. Beschädigte, ausgezackerte oder auf Steinlesehaufen oder anderweitig ortsfremd aufgefundene Grenzsteine sollten ihm gemeldet werden. Er kümmert sich darum, dass sie wieder an ihren rechten Ort gelangen.

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